Editorial Rot&Weiss 1/2017: ÜBER FEHLER
Liebe Kolleginnen und Kollegen,
In den vergangenen Wochen haben wir uns viel damit beschäftigt, was es heißt, für Fehler geradezustehen. Wer trägt die Verantwortung, wenn etwas schief läuft? Ist man auch für Fehler anderer verantwortlich – zumal, wenn man keine Möglichkeit hatte, sie zu verhindern?
Der Anlass dazu war der neue Lehrlingskollektivvertrag, der durch grobe Schnitzer in der Wirtschaftskammer (siehe Bericht Seite 8) heute so aussieht, wie er aussieht. Die neuen Tarife hätten niemals so absurd hoch festgesetzt werden dürfen. Und es hätte niemals passieren dürfen, dass die Bundesinnung der Zahntechniker von dem ganzen Prozess ausgeschlossen wird. Der Schaden, der allen heimischen zahntechnischen Labors entsteht, in denen derzeit Lehrlinge ausgebildet werden, ist enorm.
Nachdem die bisherige Regelung 2016 seitens der Arbeitnehmervertreter aufgekündigt wurde, musste neu verhandelt werden. Und natürlich hätten wir einen Kompromiss mit der Gewerkschaft finden müssen. Aber: Wir hätten aus mehreren Gründen ein wesentlich besseres Ergebnis ausverhandeln können.
Nach Vereinbarungen, die wir mit der Gewerkschaft im vergangenen Jahr getroffen haben, hätte es eine ganz andere Entscheidungsgrundlage gegeben. In einem persönlichen Gespräch waren wir nämlich übereingekommen, erst das Berufsbild zu entwickeln und anschließend über den Kollektivvertrag zu verhandeln. Auf dieser Basis hätten wir ganz anders argumentieren können. Wäre uns die Verhandlung angekündigt worden, hätte es unter anderem auch die Möglichkeit gegeben, eine Vertagung zu beantragen und zu einem späteren Zeitpunkt zu einem Beschluss zu kommen. Und ein für beide Seiten vernünftiges Ergebnis zu erzielen.
Leider ist es auch kein Trost, wie in der Wirtschaftskammer auf das interne Versagen reagiert wird. Im Gegenteil. Zu Redaktionsschluss sahen die Konsequenzen, sofern man sie als solche bezeichnen kann, für den verantwortlichen Geschäftsführer eher nach Augenauswischerei aus. Demnach fällt unsere Berufsgruppe und mit ihr die gesamte Bundesinnung der Gesundheitsberufe in Zukunft nicht mehr in den Aufgabenbereich jenes Geschäftsführers, der weiterhin Geschäftsführer bleibt, allerdings – wie es aussieht – eine Bundesinnung weniger zu betreuen hat. Kammerintern nennt man so etwas „der Geschäftsführer wurde abberufen“. Das klingt an sich dramatisch, ist es aber nicht. Offenbar hat er alles richtig gemacht. Und wenn man es genau nimmt, ist nicht er abberufen worden, sondern jene Bundesinnung, in der er großen Schaden angerichtet hat.
Woher kommt diese milde Reaktion? Gibt es tatsächlich nur einen Alleinverantwortlichen? Wie kann es sein, dass zum Beispiel die übergeordnete Abteilung eine wichtige E-Mail drei Wochen lang liegen lässt (siehe Seite 9) und dann erst weiterleitet? Bis Redaktionsschluss blieben jedenfalls einige Fragen offen. Sobald es Antworten darauf gibt, werden wir Euch, liebe Kolleginnen und Kollegen, informieren.
Fest steht, dass es Konsequenzen dieses ungeheuerlichen Vorgangs gibt – nur tragen sie allein wir Laborbetreiber. Diese Art mit Verantwortung umzugehen ist für uns als Unternehmer, die wir in der Privatwirtschaft reüssieren müssen, jedenfalls eine sehr verstörende Vorstellung.
Euer
Richard Koffu