Editorial Rot&Weiss 4/2017: ABWARTEN GEHT NICHT
Liebe Kolleginnen und Kollegen,
die Zeiten haben sich geändert. Zahntechnik ist nicht mehr, wie sie in den vergangenen Jahrzehnten war. Darüber brauchen wir uns keine Illusionen machen. Einfach nur solides Handwerk zu liefern, ist längst zu wenig. In den kommenden Jahren wird sich das noch weiter zuspitzen. Manche Arbeiten, die wir heute noch von Hand machen, wird es in Zukunft nur noch maschinell gefertigt geben, bei einigen ist das bereits der Fall. Die Zahntechnik befindet sich wie viele andere Branchen im Umbruch.
Gerade werden also die Weichen neu gestellt. Aber noch haben wir als Zahntechniker und Unternehmer die Chance mitzubestimmen, wie sie gestellt werden. Dazu müssen wir uns allerdings auf Veränderungen einlassen. Wir müssen uns mit den Zeiten ändern. Und das heißt natürlich, wir Zahntechniker müssen di- gitales Arbeiten so selbstverständlich sehen, wie es im Grunde schon ist. Neue Methoden müssen zum Alltag in zahntechnischen Labors werden. Anders wird es nicht gehen.
Das bedeutet aber auch, dass wir investieren müssen – allerdings nicht nur in neue Ausstat- tung, sondern auch in Mitarbeiter. Wir müssen unsere Leute schulen, ihnen die Möglichkeit geben, sich weiterzubilden. Und wir sollten dringend damit anfangen, unseren Nachwuchs ausführlich auf die Zahntechnik von morgen vorzubereiten. Dazu braucht es auch eine zeitgemäße Neuausrichtung der Lehre (siehe Seite 12). Zahntechnik wird es auch in Zukunft geben. Denn es wird immer Fachkräfte brau- chen, die wissen, wie sie mit neuen Techno- logien und Materialien umgehen können; die sagen können, wann welche Methode sinnvoll ist, und die mit Zahnärzten und Patienten je- den Zahnersatz gemeinsam planen. Darin, diese Nische zu besetzen, liegt unsere Chance.
Wir müssen zum einen höchste Qualität an- bieten und andererseits erstklassigen Service. Das gilt auch für die Kooperation mit den Zahnärzten. Digitale Workflows, die zwin- gend zu unserem Portfolio gehören werden, werden im Idealfall so ablaufen, dass Ärzte möglichst wenig Aufwand mit ihnen haben. Ärzte sind Mediziner, die an Patienten arbei- ten. Datentransfer, Datenschutz und generell Abläufe in der technischen Herstellung von Zahnersatz sollten sie nicht interessieren müssen. Wir Zahntechniker sollten dage- gen erklären können, wo Daten gespeichert werden, welche Möglichkeiten es generell gibt, sie zu übertragen. Kurzum: Auch in Sa- chen IT werden wir als Experten gegenüber den Ärzten auftreten müssen. Sonst werden diese Dienstleistungen im Package mit billig gefertigtem Zahnersatz von Großbetrieben übernommen werden.
Aber natürlich müssen diese Leistungen auch angemessen bezahlt werden. Viele Labore werden daher nicht darum herumkommen, ihre Leistungen neu zu kalkulieren. Mit den Preisen der Dumpingkonkurrenz kann kein Klein- oder Mittelbetrieb mithalten. Leider haben zahlreiche Kollegen das über Jahre versucht. Dass das grundfalsch ist, sollte mittlerweile jedem klar sein. Vor Angst zu erstarren ist andererseits die schlechteste Möglichkeit, den neuen Zeiten zu begegnen. Natürlich sollten wir achtsam sein, die Änderungen aufmerksam beobachten, sie idealerweise antizipieren und dann angemes- sen reagieren. Veränderungen bringen immer auch Chancen.
Übrigens werden auch viele Zahnärzte um- denken müssen. Denn es ist selbstverständlich ein Irrglaube, dass in Zukunft Maschinen alles erledigen werden, was heute Zahntechniker machen. Je komplexer eine Arbeit ist, umso we- niger ist sie rein industriell herstellbar. Und umso intensiver muss die Kooperation zwischen Arzt und bestens ausgestattetem Labor mit bestens ausgebildeten Fachkräften sein. Das gilt heute schon und wird auch in Zukunft so bleiben.
Digitale Veränderungen betreffen beinahe alle Berufsgruppen, viele mindestens so gravierend wie die Zahntechnik. Wir sind also nicht allein. Aber darum zu glauben, es wird schon nichts passieren, wäre nicht sehr klug. Die Zeiten, in denen es sich manche noch leisten konnten, einfach mal abzuwarten, sind nämlich definitiv vorbei.
Euer
Richard Koffu