Editorial Rot&Weiss 5/2020: DIE VERMEINTLICHE REFORM
Liebe Kolleginnen und Kollegen,
Die Bundesinnung der Zahntechniker ist seit zehn Jahren Teil der großen Bundesinnung der Gesundheitsberufe. Dieser gehören neben unserer Berufsgruppe auch die Augenoptiker, Hörakustiker, Orthopädietechniker und Orthopädieschuhmacher/Schuhmacher an. Dass es diese Innung in dieser Form gibt, mag gutem Willen geschuldet sein: Mit der Zusammenlegung einzelner, vermeintlich verwandter Berufsgruppen zu großen Innungen sollte 2010 die WKO in ihrer Struktur reformiert werden, vieles sollte effizienter werden. Tatsächlich, und darauf haben wir Zahntechniker (auch hier in rot&weiß) wiederholt hingewiesen, waren diese Änderungen vor allem kosmetischer Natur – somit konnte als Reform verkauft werden, was eigentlich keine war. Denn in einer Innung, die Berufsgruppen zusammenfasst, die grundverschieden sind und grundverschiedenen Problemen gegenüberstehen, gibt es kaum Synergien, die genutzt werden können. Die Bundesinnung der Gesundheitsberufe ist so ein Fall.
Wie unterschiedlich die Herausforderungen an die einzelnen „Gesundheitsberufe“ sind, zeigt auch die Corona-Krise. Der Berufsalltag sieht in allen Berufen so anders aus, dass sich kaum einheitliche Forderungen beziehungsweise Anliegen daraus ergeben. Es gibt vermeintlich gemeinsame Nenner, diese sind aber so allgemein, dass sich wenig Konkretes für alle Berufsgruppen ableiten lässt.
Von 2017 bis diesen Herbst durfte ich als Bundesinnungsmeister der Gesundheitsberufe die fünf Berufe vertreten. Dabei haben die Kollegen und ich immer den Fokus daraufgelegt, die Autonomie aller Gruppen zu sichern: Alle haben ihre eigenen Budgets und eigene Rechnungskreise. Jede Berufsgruppe trifft relevante Entscheidungen selbstständig – und nur für den eigenen Bereich. Dazu wurden 2009 eine Fusionsvereinbarung und 2015 ein Delegierungsbeschluss getroffen, in denen sich alle Gruppen unter anderem verpflichteten, sich nicht gegenseitig zu überstimmen, wobei bis auf die Kammer-Umlage und den Rechnungsabschluss alle Agenden an die einzelnen Berufsgruppen delegiert werden. Bei Entscheidungen, die andere Berufsgruppen innerhalb der Innung betreffen, enthalten sich Mandatare, die nicht zur betroffenen Gruppe gehören, der Stimme. So muss es auch in kommenden Jahren gehalten werden. Die Autonomie der Berufsgruppen muss gewahrt bleiben, darüber herrscht weitestgehend Einigkeit.
Mit der WKO-Wahl gibt es fünf neue Landesinnungsmeister, allesamt Optiker (insgesamt sind es in acht von neun Bundesländern Optiker, Ausnahme ist Kärnten, wo ich Landesinnungsmeister der Gesundheitsberufe bin). Diese acht Landesinnungsmeister der Gesundheitsberufe (Optiker/Hörakustiker) haben nun vereinbart, einen Bundesinnungsmeister aus ihren Reihen zu wählen. Das ist natürlich zu akzeptieren. Dass mit dieser Funktionsperiode wieder Optiker einen Optiker zum Bundesinnungsmeister wählen werden, darf aber nichts an der Selbstständigkeit der anderen Berufsgruppen innerhalb der Innung ändern. Der neue Bundesinnungsmeister, so hoffen wir, wird die Innung mit seinen Berufskollegen weiter im Sinne aller Mitglieder so führen, dass die zahlenmäßige Übermacht der Augenoptiker nicht zu einer politischen wird.
Alle müssen weiterhin ihre Stimme haben, denn jede Berufsgruppe weiß für sich selbst am besten, welchen Herausforderungen sie wie begegnen muss. Natürlich stellt sich die Frage, wie sinnvoll es ist, eine Innung, die fünf Berufe umfasst, so zu konstruieren, dass eine sichere Mehrheit für die größte Gruppe quasi festgeschrieben ist. Das ist nicht im Sinne der Mehrheit der Berufsgruppen, die diese Innung vertreten soll. Damit muss auch die neue Führung der Bundesinnung der Gesundheitsberufe umgehen. In aller Fairness den anderen Gruppen gegenüber.
Erfreulich ist, dass sich nach der WKO-Wahl in der Bundesinnung der Zahntechniker ein Generationenwechsel vollzieht. So gibt es mit diesem Herbst vier neue Landesinnungsmeister-ZT, während sich vier langjährige verdiente Innungsmeister zurückziehen. Friedrich Kriegler, Alfred Kwasny, Franz Reisinger und Horst Wielath möchte ich für ihr Engagement für unseren Beruf und die tolle Zusammenarbeit herzlich danken. Ihren Nachfolgern Michael Gross, Gerold Haasler, Rudolf Hämmerle und Georg Wirnsberger sowie Robert Karner, der seit 2019 Landesinnungsmeister-ZT des Burgenlandes ist, wünsche ich alles Gute für die neuen Aufgaben. Ich freue mich auf unsere Zusammenarbeit für Österreichs Zahntechnik – wir haben noch eine Menge vor!
Euer
Richard Koffu