Editorial Rot&Weiss 4/2019: WAS ARBEIT KOSTEN MUSS
Liebe Kolleginnen und Kollegen,
es ist so weit. Die Zahntechnik hat einen Kollektivvertrag (KV), und davon haben sowohl Mitarbeiter als auch Unternehmer etwas. Den Einwand, den es vermutlich geben wird, wonach festgeschriebene Mindestlöhne und Gehälter eine Zumutung für Unternehmen sind, kann ich beispielsweise nicht gelten lassen. Für die meisten Betriebe werden die beschlossenen Tarife (siehe Bericht Seite 12) nämlich keine Auswirkungen haben. Denn bestens ausgebildete Zahntechniker konnte man damit schon bisher nicht bekommen, beziehungsweise nicht im Betrieb halten. Aber natürlich machen höhere Einstiegsgehälter, die in einem KV festgesetzt sind, einen Beruf an sich schon einmal attraktiver. Da die Zahntechnik zuletzt einer der wenigen verbliebenen Berufe ohne KV war, kommt in ihrem Fall ein anderer wichtiger Faktor hinzu: Bis jetzt war es für potenzielle Mitarbeiter oder junge Menschen, die vor der Berufswahl stehen, schwer einzuschätzen, mit welchen Mindestlöhnen beziehungsweise Gehältern sie rechnen können. Denn auch wenn es gut bezahlte Zahntechniker gibt, gibt es derzeit genauso solche, die als fertig ausgebildete Techniker in Vollzeit 1400 Euro brutto verdienen. Und das ist definitiv zu wenig. Betriebe, die heute solche Löhne zahlen, werden ihre Preise jetzt neu kalkulieren müssen. Insgesamt wird der neue KV es schwerer machen, Zahnersatz in Österreich zu Dumpingpreisen herzustellen und zu verkaufen. Der Preisdruck, der durch zu billige zahntechnische Produkte entsteht, geht aber nicht nur zu Lasten der Mitarbeiter, sondern oft auch auf Kosten der Gesundheit der Unternehmer, die zu viel arbeiten müssen.
Eine weitere Änderung betrifft Zahntechnikermeister und leitende Angestellte in Laboren, sprich das Modell gewerberechtlicher Geschäftsführer. Ihnen stehen laut neuem KV mindestens 3800 Euro brutto monatlich bei 40 Wochenstunden zu (siehe ebenfalls Seite 12), ein angemessenes Gehalt, wie wir finden. Andererseits wird es nicht mehr so leicht möglich sein, Meister als gewerberechtliche Geschäftsführer einzusetzen, ohne dass diese tatsächlich im Betrieb arbeiten. Die Gebietskrankenkassen werden zukünftig die belegte Anwesenheit der Geschäftsführer von mindestens 20 Wochenstunden überprüfen.
Ebenfalls erfreulich: Sachverständige haben der Innung zugesagt, künftig keine Gutachten für die Erreichung der individuellen Befähigung zu erstellen. Damit wird es hoffentlich bald keine Möglichkeit mehr geben, sich eine Meisterprüfung zu ersparen. Dafür bedanke ich mich im Namen aller Zahntechnikermeister, die viel Energie, Zeit und Kosten investiert haben, um ihre Ausbildung mit einer Meister- ausbildung zu krönen. Damit die individuelle Befähigung bald der Vergangenheit angehört, müssen auch Landes- und Bezirksbehörden auf die Problematik dahinter hingewiesen werden. Werden Bewilligungen leichtfertig vergeben, kann das gravierende gesundheitliche Konsequenzen für Patienten haben, was wiederum Amtshaftungsklagen zur Folge haben kann. Dafür muss ein Bewusstsein geschaffen werden. Was das angeht, kann man feststellen, dass Behörden, seit verschiedenen Verfehlungen und den damit verbundenen hohen Geldstrafen, seit der Bundespräsidentenwahl sensibler sind. In unserem Beruf geht es um Gesundheit (Leib und Leben), eine dementsprechende, nachweisbare Qualifikation ist daher absolut notwendig – und das ist und bleibt die Meisterprüfung.
All das, der neue KV und das wahrscheinlich nahende Ende der individuellen Befähigung, ist wichtig für Klein- und Mittelunternehmen, die Zahnlabore in Österreich ja in der Regel sind. So können sie besser kalkulieren und haben mehr Sicherheit, um jene Investitionen zu tätigen, die in Zeiten des Umbruchs – Stichwort Digitalisierung – so dringend notwendig sind.
Euer
Richard Koffu