Editorial Rot&Weiss 2/2017: WER ZUM TEAM GEHÖRT
Liebe Kolleginnen und Kollegen,
Auf der Internationalen Dental-Schau in Köln war heuer – wie jedes zweite Jahr – wieder die dentale Welt zu Gast. Und von Ausgabe zu Aus- gabe wird mir als Besucher der Messe immer mehr bewusst, dass es nicht selbstverständlich ist, dass wir Zahntechniker in Zukunft Teil dieser Welt sein werden. Jedenfalls nicht alle von uns – und bestimmt nicht jene, die meinen, sie könnten so weiterarbeiten wie bisher. Rein analog nämlich.
Dass ein beachtlicher Teil des Zahnersatzes schon heute digital gefertigt wird, ist mittlerweile nicht mehr neu. Es ist auch keine Neuigkeit, dass wir davon ausgehen können, dass der Anteil digitaler Methoden in unserem Alltag noch weiter zunehmen wird. Das wird er natürlich mit Sicherheit.
Was mir heuer allerdings noch mehr als in den vergangenen Jahren auffiel, ist, dass es beinahe schon aufdringlich ist, wie sich die Industrie den Zahnärzten andient. Und ich rede nicht davon, dass sie ihnen immer neue Geräte und Materialien verkaufen will.
Nein, mittlerweile machen große Firmen kein Hehl mehr daraus, wie sie sich das Teamwork in der Branche zukünftig vorstellen: Auf einer Seite sollen fürs Erste weiterhin noch Zahnärzte stehen und auf der anderen große Konzerne, die ihnen zahntechnische Lösungen anbieten. Industriell gefertigt an globalen Werkbänken. Digital in der Arztpraxis Abdruck nehmen, digitales Modell bauen und designen von jeglichem Zahnersatz, sagen wir, in Indien, und mit der Maschine fräsen sonst wo oder in der Zahnarztpraxis. Wo wir Zahntechniker in dieser Rechnung stehen? Jedenfalls nicht in diesem Team.
Firmen wie Ivoclar Vivadent versuchen gar nicht mehr zu kaschieren, worum es ihnen geht. In einer Aussendung des Unternehmens rät ein Experte Zahnärzten, doch lieber gleich ein eigenes CAD/CAM-Gerät zu kaufen und auf diese Weise die Kosten für ein Dentallabor zu sparen. Das Kalkül hinter alldem ist klar: Mit Investitionen sollen dentaltechnische Sparten in den Konzernen entstehen, die, bis sie selbst Gewinn abwerfen, mit den Milliardengewinnen aus anderen Bereichen gestützt werden sollen. Währenddessen haben die Vertreter der Industrie natürlich keinerlei Probleme, uns Geräte zu verkaufen, die wir laut ihrer Rechnung nicht mehr wahnsinnig lange brauchen werden. So sieht es gerade aus. Es sieht aber auch so aus, dass es auch auf längere Sicht nicht ohne uns Zahntechniker gehen wird. Wir können vieles, das Industriebetriebe bestimmt nicht leisten können. Wir kennen uns mit Materialien aus, wissen, wann welche am besten funktionieren, können auf jede Behandlung individuell eingehen, enges Teamwork und spezielles Service anbieten. Kurz: Wir sind da und wir sind greifbar - für Zahnärzte und Patienten. Aber wir müssen das alles mit den neuesten technischen Mitteln anbieten. In dieser Nische sehe ich die Zukunft der Zahntechnik. So können wir im Team bleiben. Und dass Zahnärzte so ohne Weiteres auf die enge Zusammenarbeit mit Zahntechnikern verzichten wollen, kann ich mir - auch aus eigener Erfahrung - beim besten Willen nicht vorstellen. Außerdem: Wer sagt, dass es nach der oben beschriebenen Logik irgendwann noch Zahnarztpraxen braucht? Man könnte ja gleich Industriekliniken gründen und dort ein paar Zahnärzte und Zahntechniker anstellen. Aber diesen Gedanken denkt derzeit niemand laut. Noch nicht jedenfalls.
Euer
Richard Koffu